Wormser Zeitung 15.09.10

Bild des Planungsgebietes WEI7

Das Baugebiet "WEI7 Am See" in Weinsheim steht in der Diskussion - Foto: photoagenten/Alessandro Balzarin

 

Mit Anwälten gegen „WEI 7“

Von Susanne Müller

 

WIDERSPRUCH Anwohner des Weinsheimer Baugebiets legen umfassende Stellungnahme vor

Was politisch nicht zu erreichen war, soll nun die Justiz richten: Das Baugebiet „WEI 7 Am See“ ist mehreren Anwohnern „Am See“ und „Viehweg“ sowie den Wormser Grünen weiter ein Dorn im Auge. Obwohl der Stadtrat im Juni sein Plazet zur Änderung des Flächennutzungsplans gegeben und somit dort eine Bebauung ermöglicht hat, gibt die Koalition aus Bürgern und Politikern nicht auf. Die „Verbündeten“ haben nun, im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Offenlegung, im Rahmen derer Einwände geltend gemacht werden können, eine schärfere Waffe als bisher gezückt: Die Anwohner haben eine Kölner Sozietät beauftragt, die den Bebauungsplan unter die Lupe genommen und in Teilen als nicht rechtskonform beurteilt hat.

Eine umfassende Stellungnahme zu „WEI 7“ liegt nun den städtischen Gremien vor, „wir sind sicher, dass die Faktenlage klar ist und dass hier nicht gebaut werden darf“, erklärte Grünen-Fraktionssprecher Kurt Lauer. Und sollte dieser anwaltlich formulierte Widerspruch abgelehnt werden, „dann werden wir Normenkontrollklage einreichen beim Oberverwaltungsgericht“, kündigte der Sprecher der Anliegergemeinschaft „Am See“, Bodo Ernst, an. Es sei schlimm, dass Bürger gezwungen seien, Anwälte einzuschalten, um ihre Interessen wahren zu können: „Das ist ein trauriges Kapitel, ein wahnwitziges Unterfangen, hier bauen zu wollen“. Nicht nachvollziehbar sei es, warum OB Michael Kissel das Vorhaben derart vorantreibe: „Vielleicht liegt es auch daran, dass schon in der Koalitionsvereinbarung festgeschrieben wurde, das Baugebiet weiter voranzubringen.“

„OB Kissel und dem Investor wird ja ein enges Verhältnis nachgesagt“, deutete Kurt Lauer einen Beweggrund an und verglich das Wormser Vorgehen in Sachen „WEI 7“ mit der „Affäre Nürburgring“ des Landes, wo ebenfalls „blauäugig von einer Katastrophe in die nächste geschlittert“ werde. Auffällig sei es auch, so ergänzte Bodo Ernst, dass - bevor OB Kissel ins Amt gekommen sei - die Stadt Bauvoranfragen für das betreffende Gebiet „alle abgelehnt hat“.

Bodo Ernst wies für die Anwohner erneut darauf hin, dass Grund für den Widerstand nicht sei, dass ihre privilegierte Wohnlage Nachbarn bekommen solle. „Für uns stehen die Versiegelung von Landschaft außerhalb von Ortslagen, der Naturschutz und auch die Gefährdung von Menschen im Vordergrund“, erklärte Ernst.

Gefährdet seien die eventuellen künftigen Besitzer der neuen Häuser durch Lärm der nur wenige Meter entfernten Bahnline. Die Stadt verstoße in vielen Fällen nicht nur gegen gültiges Recht, sondern auch gegen eigene Vorgaben - gerade im Jahr der Biodiversität. „Und“, so Ernst, „wer soll denn die vielen Grundstücke kaufen und dort bauen, die teuer sind, aber zu nah an der Bahnline liegen und keine Anbindung an den ÖPNV haben?“

Oberbürgermeister Michael Kissel habe, als er Auskunft erbeten habe zu Referenzen des Investors oder zu schon vorzeigbaren Projekten, „Fragen falsch und tendenziös beantwortet“, erklärte Kurt Lauer. „Vielleicht muss man den Investor vor sich selbst schützen“, erklärte Bodo Ernst, annehmend, das Projekt sei nicht genug durchdacht.

KOMMENTAR

 

ARGUMENTE GEGEN "WEI7"

...das wirtschaftliche Interesse eines Privaten an der Aufstellung des Bebauungsplans steht fest... es kommt kein weiteres öffentliches Interesse hinzu... die Schaffung des zusätzlichen Wohnraums stellt keinen öffentlichen Belang dar.

Der Bebauungsplan verstößt gegen das im Bundesimmissionsschutzgesetz niedergelegte Trennungsprinzip (das die Abgrenzung von störenden und nicht störenden Nutzungen steuert)... Mit der Überschreitung von 60 dB(A) nachts wird die Schwelle der Gesundheitsgefährdung überschritten. Auch tagsüber kommen die Werte noch an die verfassungsrechtliche Schwelle der Gesundheitsgefährdung.

...artenschutzrechtliche Verbote stehen einer Realisierung des Bebauungsplans entgegen, mit der Folge, dass dieser nicht nachvollziehbar ist und von daher die Erforderlichkeit der Planung nicht gegeben ist. Denn für die Aufstellung eines nicht nachvollziehbaren Bebauungsplans kann kein städtebauliches Erfordernis bestehen.

(Quelle: Wormser Zeitung  15.09.2010)

 

 

Kommentar von Susanne Müller zu "WEI 7":

 

Dickes Ei

Bürger können recht störend sein. Etwa wenn sie Entscheidungen, die von ihnen gewählte Vertreter getroffen haben, partout nicht akzeptieren wollen. Und: Wenn sie klug agieren und gute Argumente ins Feld führen. Die Argumente, die nun die Anwohner des Gebietes "Am See" anwaltlich formuliert vorlegen, klingen wahrlich gut. Sie formulieren das klar und unmissverständlich, was während der Debatte im Stadtrat, als es um "WEI 7" gegangen war, nur von Wenigen gesagt wurde: Dass nämlich nicht nachvollziehbar ist, warum "WEI 7" derart forciert wird.

Schwerer wiegen aber Einschätzungen, wonach die Stadt schlampig gearbeitet, Dinge falsch eingeschätzt, sogar gegen Gesetze verstoßen habe. Mit derlei Vorwürfen legen die Anwohner der Stadt ein dickes Ei ins Nest - und das noch vor der OB-Wahl 2011. Ob das Ei deshalb noch vorher ausgebrütet wird, ist spannend. Denn es könnte ja passieren, dass die Verwaltung eine weitere gerichtliche Niederlage einstecken muss.