Wormser Zeitung 02.07.10

 

"Am See" darf gebaut werden

Von Susanne Müller


STADTRAT Nach kontroverser Debatte Baugebiet "WEI 7" beschlossen

WEINSHEIM.  Auch der Brief,  den Innenminister Karl Peter Bruch an die Eigentümergemeinschaft "Am See" geschrieben hatte, half nichts mehr. Der Minister hatte den Bürgern  zugesichert, von ihnen eingereichte Unterlagen, die das neue Baugebiet "WEI 7" verhindern sollen, weiterzugeben an die verfahrensführende Genehmigungsdirektion, an das Umweltministerium sowie das Ministerium der Finanzen.

Der Stadtrat beschloss in seiner jüngsten Sitzung, den Flächennutzungsplan, den Stadtteil Weinsheim betreffend, zu ändern, die  Änderung öffentlich auszulegen sowie auch den Bebauungsplanentwurf  öffentlich auszulegen, damit hier Bedenken und Einwände geltend gemacht werden können.

Dies bleibt den ablehnenden Anwohnern jetzt noch. Der Investor, die Stadt und auch der Ortsbeirat, der eine Bebauung auf dem ehemals als "Grünfläche mit Zweckbestimmung Erwerbgärtnerei" befürwortet hat, sind einen Schritt weiter in Richtung neues Baugebiet.

Bevor es jedoch so weit war, gab es im Stadtrat eine lange Debatte, es erwies sich, dass alten Fronten noch bestanden – sie wurden auch nicht verrückt.

Kurt Lauer (Grüne) erinnerte daran, dass 2010 das Jahr der Artenvielfalt sei, "und in diesem Jahr beschleunigt die Stadt das Artensterben ohne Not".  Ein weiteres Baugebiet im Außenbereich brauche die Stadt nicht, "es ist nicht Aufgabe der Politik, Bodenspekulanten zu unterstützen". 45 Vogelarten seien "Am See" festgestellt worden, davon viele gefährdete.  Streng geschützte Mauereidechsen kämen flächendeckend vor,  ebenso viele weitere Wirbeltiere wie Fledermäuse oder Nattern. "Allenfalls das Areal, wo die alte Ziegelei steht, könnte eventuell bebaut werden", so Lauer.

Karl Müller (FWG-Bürgerforum) bezeichnete das Baugebiet als "städtebauliche Fehlentwicklung", die ablehnende Stellungnahme der Genehmigungsbehörde solle beachtet werden. Manfred Glaser (FDP) fragte das Gremium, wie die Stadt reagieren wolle bei anderen Anfragen: "Wir haben schon andere Gebiete, die besser integriert sind, in Frage gestellt." "WEI_7" sei die "denkbar ungünstigste Stelle", an der die Stadt erweitert werden könne. Investitionen sollten auch einen Gemeinnutzen haben und nicht nur privatem Profit dienen.

Weinsheims Ortsvorsteher Heinz Wößner (SPD) outete sich als Tierfreund, es gebe aber immer Gewinner und Verlierer, sagte er, und hier müsse man an die Menschen denken.

Dr. Klaus Karlin erklärte für seine Fraktion, dass es innerhalb der CDU einen langen Abwägungsprozess gegeben habe, man aber nun der Vorlage zustimmen werde.  Sein Parteikollege Bruno Heilig regte an, die Entscheidung nochmals zurückzustellen, sie nochmals zu diskutieren, dies forderte auch Kurt Lauer (Grüne) – zumindest bis die Antworten der Ministerien vorlägen, welchen Minister Bruch die Schreiben der Anwohner zugesandt habe.

Michael Mahla (Grüne) äußerte die Befürchtung, dass die Planung einer Prüfung in einem Normen-Kontrollverfahren nicht standhalte: "Die Summe aller Konflikte zeigt, dass das Gebiet absolut ungeeignet ist". Die Stadt solle doch, anstatt hier zu bauen, das "zerrissene Band zwischen Natur und Mensch wieder neu knüpfen".

Dr. Uwe Radmacher (FDP) forderte die CDU auf, nicht zuzustimmen – er selbst nahm als Betroffener, als Anwohner des Gebiets "Am See" an der Abstimmung nicht teil.

Dezernent Hans Joachim Kosubek erklärte, dass sein Bereich "große Bauchschmerzen" gehabt habe. "Wir waren dagegen, aber der Stadtrat hat ja die Aufstellung beschlossen". Inzwischen seien aber die Belange des Artenschutzes berücksichtigt, "mit dem, was nun vorliegt, können wir als Naturschutzbehörde leben".

Der Antrag, die Entscheidung nochmals zu vertagen, wurde schließlich mehrheitlich abgelehnt, die übrigen Vorlagen erhielten mehrheitliche Zustimmung.

(Quelle: Wormser Zeitung, 2. Juli 2010)