Historie

 

Bild der Gärtnerei Haubner

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Ist der Bebauungsplan Weinsheim „Am See“ rechtens?

Viele Wormser kennen noch den Saatzuchtbetrieb der Familie A. Haubner in Weinsheim am Viehweg, die dort Pflanzen für den Gartenbau, die Landwirtschaft und Gemüsesorten mit wertvollen Eigenschaften und hohem Gesundheitswert züchteten. 1974 wurde der Betrieb vollständig von der van Waveren Saaten GmbH übernommen, aber bereits 1979 aufgegeben und Gebäude und westlich gelegene Freiflächen an einen Architekten und einen Steuerberater verkauft. Wer nun geglaubt hatte, dass die Saatzuchtproduktion weiter betrieben wird, sah sich getäuscht; denn die neuen Eigentümer hatten nur ein Ziel vor Augen, das günstig erworbene Gelände von ca. 2 ha einer Wohnbebauung zuzuführen. Dieses Vorhaben scheiterte jedoch bereits am Ortsbeirat und später auch Stadtrat, die sich aus städtebaulicher Sicht vehement der gewünschten Bebauung im Außenbereich widersetzten. Daher vermietete ein Eigentümer die Wirtschaftsgebäude und eine Teilfläche an gewerbliche Unternehmen, u.a. auch an eine Autoabwrackanlage, von der Lärm- und Geruchsbelästigungen ausgingen sowie Schadstoffe ins Erdreich gelangt sein sollen, was heftige Anwohnerproteste auslöste. 1988 verkaufte die Firma van Waveren zu niedrigen Kaufpreisen von 10,00 DM bzw. 6,00 DM/qm ein weiteres östlich gelegenes 2,5 ha großes Ackergelände. Auch hier versuchten die Erwerber eine Wohnbebauung durchzusetzen, die jedoch in den Amtszeiten der Oberbürgermeister Neuss und Fischer strikt abgelehnt wurde. Von Beginn an hatte sich der Stadtrat mit zwei Drittel Mehrheit gegen diese Bebauung und Zersiedelung im Außenbereich der Stadt Worms ausgesprochen. Immer wieder wurden von den Besitzern Bebauungswünsche an jeweils anderer Stelle des inzwischen 4,5 ha großen Gebiets an die Stadt gerichtet, die mit mehreren Prozessen – zuletzt 1998 mit Urteil vom OVG Rheinland/Pfalz - erfolgreich abgewiesen wurden. Trotzdem  stellte 2000 der Ortsbeirat Weinsheim den Antrag, einige Teilflächen des Geländes zu bebauen. Diesen Wunsch beschied das Bauamt ebenfalls abschlägig; denn mit den Baugebieten „In den Neunmorgen“ und „Am Burgweg“ hatte die Ortsgemeinde Weinsheim bereits große Bauflächen erhalten, die Einwohnerzahl Weinsheims wuchs um mehr als 1200 Personen. Für die Ausweisung weiterer Areale bestand daher keine Notwendigkeit mehr, zumal der quantitative Flächenverbrauch nach den einschlägigen gesetzlichen Vorgaben unbedingt eingeschränkt werden mußte. Nebenbei bemerkt: Wenn die Bevölkerung wächst, dann steigen auch die monatlichen Bezüge eines Ortsvorstehers und bei einer Tätigkeit von mehr als 10 Jahren auch die Altersentgelte.

Zu Beginn der Amtszeit von OB Michael Kissel befürwortete am 07.07.2005 der Bauausschuss, nach einer Sitzung des Stadtvorstands, überraschend mehrheitlich die Aufstellung eines Bebauungsplans WEI 7 für das Plangebiet Weinsheim „Am See“, Flur II. Der Aufstellung stimmte der Stadtrat am 21.09.2005 – weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit – zu. Mit Gesellschaftsvertrag vom 16.08.2005 und noch vor der Stadtratsitzung, gründete ein mit lediglich 0,25 ha am Plangebiet beteiligter und der SPD nahestehender Rechtsanwalt die Firma Profecto GmbH, die gegenüber der Stadt Worms als privater „Investor“ und Bauträger für das Gelände auftritt. Vier weitere Eigentümer besitzen ca. 4,25 ha des Plangebiets.

Das geplante Baugebiet gliedert sich in drei unterschiedliche vorgeprägte Bereiche. Der westliche Bereich am „Niedesheimer Pfad“ hat sich in den letzten 25 bis 30 Jahren zu einem lokal bedeutsamen, artenschutzrelevanten Biotop mit einer unterschiedlichen Tier- und Pflanzenwelt entwickelt. Diese Fläche nimmt ca. 1/3 des Plangebietes ein und wurde 2006 im Rahmen der in Rheinland-Pfalz vorgenommenen Biotopkartierung als „schutzwürdiger Biotop“ aufgenommen. Der mittlere Bereich hat sich zu einer Gewerbebrache entwickelt, da notwendige Investitionen durch den Eigentümer trotz Mieteinnahmen unterblieben sind. Er wurde als Schrottverwertungsplatz genutzt und muß noch auf Altlasten untersucht werden, da auf Grund der jahrelangen Schrottverwertung eine Bodenverunreinigung nicht auszuschließen ist. Der östliche und mit ca. 2,5 ha größte Bereich ist eine überwiegend landwirtschaftlich genutzte Fläche, die unweit von der stark frequentierten Bahnstrecke Worms-Mannheim einer sehr hohen Lärmbelastung ausgesetzt ist.

Kurz vor Weihnachten 2006 wollte ein Eigentümer anscheinend vollendete Tatsachen schaffen, indem er mit einer Fällaktion begann um das Biotop und damit den Lebensraum vieler Tiere zu zerstören. Engagierte Anwohner konnten das durch einen beherzten Eingriff verhindern.

Diese illegale Rodungsaktion veranlaßte die Anwohner zu heftigen, öffentlichen Protesten. Hierbei wurden sie von der  Partei und der Fraktion Bündnis90 / Die Grünen unterstützt, die sich in den städtischen Gremien für die Aufgabe Planungen für die Bebauung und den Erhalt des Biotops einsetzten.

Nach Auffassung der Anwohner am See und am Viehweg und engagierter Wormser Bürger sollte für das Gebiet die Bebauungsplanung eingestellt werden. Dafür sprechen die demographische Entwicklung, die Zersiedelung der Landschaft, die Wohnungsleerstände in Worms und der Schutz natürlicher Lebensräume für Flora und Fauna. Im Innenbereich von Worms gibt es nach wie vor riesige brachliegende Bauflächen, die darauf warten, einer geeigneten Bebauung zugeführt zu werden.

Die Struktur- und Genehmigungsdirektion  Süd empfahl der Stadt Worms im Mai 2007 die Flächenausweisungen von Biotop und Ackergelände, d.h. mehr als zwei Drittel des Plangebiets, zu überdenken und diesen Bereich nicht weiter zu entwickeln. In der landespflegerischen Beurteilung wurden diese als “nicht geeignet“ eingestuft und bei der städtebaulichen nur als “bedingt geeignet“.

Mehr als zwei Jahrzehnte hatten die städtischen und politischen Gremien der Stadt Worms die gleichen Ansichten vertreten. Jetzt hätte der zuständige Dezernent, Herr OB Kissel, eigentlich reagieren und im Einvernehmen mit den politischen Gremien eine Planänderung veranlassen müssen. Eine Bebauungsplanung wäre demnach aufgrund der Empfehlungen nur noch für den mittleren Bereich - die Gewerbebrache – in Frage gekommen. Aber statt dessen wurden die Planungen von ihm unvermindert weiter betrieben!
Spätestens als die Landesregierung Rheinland-Pfalz am 14.10.2008 ein neues Landesentwicklungsprogramm (LEP IV) verordnete, das die Reduzierung der zu hohen Flächeninanspruchnahme vorsieht und der Innenentwicklung der Gemeinden ein Vorrang vor der Außenentwicklung einräumt, hatten die Anwohner einen Rückzug des OB in dieser Sache erwartet.

Für das Plangebiet werden die Grundsätze und Ziele des Landesentwicklungsprogramms IV nicht eingehalten. Diese geht von einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung aus. Im Vergleich zu anderen Gemeinden hat Worms in den zurückliegenden Jahren schon zu viele Wohnbauflächen ausgewiesen. Die absehbare, demografische Entwicklung wurde nicht genügend berücksichtigt. Die Bevölkerung der Stadt Worms nimmt stetig ab. Es bestehen bereits etliche Wohnungs- und Hausleerstände. Nach den Prognosen des Statitischen Landesamtes wird die Bevölkerung der Stadt Worms bis 2020 auf ca. 77.000 Einwohner sinken. Das Plangebiet befindet sich weder im Stadtkern von Worms noch in Ortsnähe des Stadtteils Weinsheim, sondern weit entfernt davon im Außenbereich.

Es befindet sich auch keine Buslinie (ÖPNV) in der Nähe des ausgewiesenen Gebiets. Falls gebaut werden sollte bedeutet das auch, dass aufgrund der Entfernung zur nächst gelegenen Schule in Horchheim Kosten für die Fahrten der Schüler entstehen würden, die von den Steuerzahlern getragen werden müssten.
Ende 2008 protestierten die Umweltverbände NABU, BUND, POLLICHIA und der Fachbeirat Naturschutz der Stadt Worms mit schriftlichen Einlassungen gegen die Bebauungsplanung. Im Planungsgebiet konnten von Fachleuten insgesamt 45 Vogelarten nachgewiesen werden. Davon wurden 36 als potenzielle Brutvogelarten im Gebiet eingestuft. Von den 36 Brutvogelarten stehen 8 Arten deutschlandweit auf der Vorwarnliste zur Roten Liste, in Rheinland-Pfalz gelten 3 Arten als gefährdet, 1 der bodenständigen Arten gilt nach dem Bundesnaturschutzgesetz als streng geschützt, alle übrigen Arten sind nach dem Gesetz pauschal besonders geschützt. Das Gebiet wurde durch diese Ergebnisse als lokal bedeutsame, artenschutzrelevante Fläche eingestuft.

Neben den festgestellten Vogelarten gibt es mindestens vier streng geschützte Tierarten im Gebiet: Die Zauneidechse und die Erdkröte und voraussichtlich zwei Fledermausarten, den Großen Abendsegler und die Zwergfledermaus. Wahrscheinlich gibt es auch noch andere Vorkommen streng geschützter Arten nach dem Naturschutzgesetz. Es wurden weitere Untersuchungen empfohlen, da von den Anwohnern noch andere geschützte Vogelarten und Reptilien beobachtet wurden.

Am 28.02.2010 schrieben die Anwohner an OB Michael Kissel und bemängelten die beabsichtigte Bebauung. Unbeirrt wurde vom OB eine inhaltliche Stellungnahme erst für nach der Offenlage angekündigt, also erst dann, wenn schon viel Arbeit, Zeit und Geld investiert wurde und damit im Grunde von Seiten der Stadt schon alles beschlossen ist. Daraufhin informierten sie ausführlich am 28.05.2010 den Minister  Karl Peter Bruch. Durch den Biotop soll für die Erschließung ein 10 m breiter Korridor für eine Privatstraße geschlagen werden. Die Anwohner sind sich darüber einig, dass dieser sinnlose Eingriff in die Natur und Landschaft auf keinem Fall geduldet werden kann. Eine 25 m hohe Buche erzeugt genügend Sauerstoff, um 3 Menschen leben zu lassen. Eine einzige Eiche speichert mehr CO2 als in einem Jahr mit dem Auto verfahren wird.

Von der oberen Landesplanungsbehörde, der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd, wurde 2008 und 2010 empfohlen, dass eine Anbindung aus raumordnerischer Sicht umweltschonender und flächensparender über den Viehweg erfolgen könnte als über eine Privatstraße im Biotop. Auch diese Empfehlung hatte keine Folgen.

Am 30.06.2010 beschloß der Stadtrat mit den Stimmen der SPD und CDU die Änderung des Aufstellungsbeschlusses und die daraus folgende, notwendige Änderung des Flächennutzungsplans - Bündnis 90 / Die Grünen, die FDP und die FWG votierten dagegen. Bereits am 02.07.2009 hatten die SPD und die CDU nach der Kommunalwahl die Bebauung des Plangebiets WEI 7 „Am See“ vereinbart. Aber festgelegt wurde auch, dass eine Änderung bzw. Fortschreibung des Flächennutzungsplan nach dem Prinzip „Innen- vor Außenentwicklung“ erfolgen solle. Das Planungsgebiet WEI 7 befindet sich jedoch im Außenbereich! Wer soll diese Widersprüchlichkeit verstehen?

Gegen die Beschlüsse konnten vom 19.07. bis einschließlich 20.08.2010 Stellungnahmen abgegeben werden. Dem folgten die Anwohner Am Viehweg und Am See und haben sehr umfangreich sachlich und rechtlich fundierte Belange geltend gemacht. Die Einwendungen liegen uns vor und sehen kurz gefasst folgendermassen aus:

Die Belange des Artenschutzes werden ausführlich behandelt. Durch die geplanten Eingriffe, z.B. Straßenbau durch das Biotop, werden die in wildlebenden Tiere der besonders und streng geschützten Arten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich gestört, verletzt oder gar getötet. Das wären eindeutige Verstöße gegen die Naturschutzgesetze.

Mit einem am 01.01.2007 in Kraft getretenen Gesetz kommt dem Schutz des Außenbereichs vor Bebauung eine verstärkte Bedeutung zu.

Weiterhin steht fest, dass das wirtschaftliche Interesse eines Privaten an der Aufstellung des Bebauungsplans im Vordergrund steht. Zwar wird nicht verkannt, dass eine solche Situation vielfach Grundlage für die Aufstellung eines Bebauungsplans ist aber anders als in den sonstigen Fällen kommt hier kein weiteres öffentliches Interesse hinzu. Das beabsichtigte Allgemeine Wohngebiet liegt in unmittelbarer Nähe der Bahnstrecke Mainz – Ludwigshafen. Die Lärmbelästigungen sind so erheblich – nach Berechnungen eines Schallgutachtens und Abzügen von 5 Dezibel ist tagsüber mit bis zu 65 und nachts mit bis zu 68 Dezibel zu rechnen – so dass in nicht vertretbarer Weise die verfassungsrechtliche Schwelle der Gesundheitsgefährdung überschritten wird.

Anmerken möchten wir, dass mit der von den  zuständigen Behörden prognostizierten Zunahme des Schienengüterverkehrs auf dieser Strecke auch die Lärmbelastung noch mehr ansteigen wird. Geradezu grotesk ist daher die Anfrage der SPD-Landtagsabgeorneten Kathrin Anklam-Trapp und Jens Guth an die Landesregierung, die sich gegen die Auswirkungen des erheblichen Bahnlärms durch die geplante Transversale Rotterdam/Genua richtet und die Strecke Mainz/Mannheim umfaßt. Denn vor allem die SPD-Stadtratfraktion hat sich für die Ausweisung des neuen Baugebietes am Schienennetz – trotz des Verkehrslärms und ungenügender Schallschutzmaßnahmen – ausgesprochen!

Warum soll im Planungsgebiet WEI7 gebaut werden? Als öffentliches Interesse wird die Beseitigung der Baubrache angeführt. Eine Bebauung dieser Fläche wäre auch für die Anwohner einsehbar und vertretbar. Es bleibt zu wünschen, dass die Anwohner bei der Planung für eine neue Bebauung der Gewerbebrache einbezogen werden. Entsprechend gäbe es von vornherein eine Akzeptanz für das Projekt.

Hier könnten bis zu 15 Einfamilienhäuser entstehen. Für eine Bebauung, aber nur des zentralen Bereichs des Plangebiets, hat sich ja auch die obere Behörde, die SGD Süd, ausgesprochen. Die übrigen ca. 3,5 ha großen Wald- und Ackerflächen sollten , weil  nachhaltiger mit den vorhandenen Ressourcen und der Natur umgegangen werden muss, nicht bebaut werden. „Die Vereinten Nationen haben 2010 zum Internationalen Jahr der Artenvielfalt erklärt, alle sind aufgerufen, den Artenverlust vor der eigenen Haustür zu stoppen!“

Die Stadt Worms hat sich der Deklaration „Biologische Vielfalt in Kommunen“ angeschlossen und die Ziele dieser Deklaration stehen in genauem Gegensatz zu dem was mit Umsetzung der Planungen für WEI 7 geschehen würde. Was soll man dazu noch sagen?